Warum die Krise wieder eskaliert

Lesenswert ist die Kolumne von Münchau in der FTD v. 25.7.: http://www.ftd.de/politik/europa/:kolumne-wolfgang-muenchau-warum-die-krise-jetzt-eskaliert/70067575.html#

Er arbeitet die Unterschiede in der Außenwahrnehmung der Rolle Deutschlands in der Rettungspolitik und der Binnendiskussion sehr gut heraus: „Wie sind mittlerweile an dem Punkt angelangt, daß Ökonomen wie Peter Bofinger Angela Merkel unterstützen.

Münchau hat wohl recht. Es gibt in Deutschland keine Mehrheiten für Banken- und Fiskalunion oder einen noch größeren ESM. Weder in der Bevölkerung, noch bei den Ökonomen und wohl auch nicht bei der SPD.

Hinzu kommt die wachsende politische Entfremdung zwischen Deutschland und den Südländern.

Wenn der Euroraum zerbricht, bleibt noch die Frage, ob Frankreich beim stabilen Rumpfeuro dabeisein kann.

Übrigens ist ja auch der Name „Euro“ verbrannt.

Grexit oder (noch) nicht?

Nun also doch. Der IWF kann nicht mehr und die Kanzlerin verliert die Geduld mit der griechischen Regierung.

Ein wenig selbstkritische Rückschau könnte hier nicht schaden. Das erste griechische Rettungspaket wurde den staunenden Wählern als eine Art Überbrückungskredit verkauft. Das Land sei keineswegs insolvent. Es habe bloß vorübergehend den Kapitalmarktzugang verloren. Dann wurde immer weiter gerettet, auch unter Beteiligung der europäischen Zentralbank (Wo blieb da der Aufschrei der Bundesregierung?). Der den Griechen verordnete Sparkurs war allerdings ein Programm der wirtschaftlichen Erdrosselung. An Warnungen hat es nicht gefehlt. Nach der einschlägigen Studie von Goldman Sachs wird es kontraproduktiv, wenn man in den öffentlichen Haushalten mehr als 2 Prozent des BIP einzusparen versucht.

Also kann man sagen, daß die Bundesregierung mehrfach falsche Prognosen über die Rückzahlungsfähigkeit Griechenlands gestellt hat. Sie ist demgemäß immer wieder neu ins Risiko gegangen (stellvertretend für uns Steuerzahler) und sie hat die Aussichten, daß wir unser Geld wiedersehen, zusätzlich dadurch beeinträchtigt, daß sie den Griechen einen nicht-nachhaltigen Sparkurs verordnet hat.

Zugegeben, der Job war schwierig. Aber eine Katastrophenbilanz bleibt eine Katastrophenbilanz. Nebenbei hat man sehr viel Vertrauen verspielt.

Und der Grexit? Soll er nun kommen? Ich befürchte, daß das der nächste große Fehler wäre. Man denke an die Sunk costs und die Ansteckungseffekte, die Politiker mitunter unterschätzen.

Ich glaube, daß auf Sicht noch mehr Länder nicht mehr in der Eurozone zu halten sein werden, möglicherweise auch große südeuropäische. Wenn diese These stimmt, wäre ein Austritt Land für Land die teurere Lösung. Was wir brauchen ist ein Plan für eine Scheidung in zwei Währungsgebiete.

Bildner seiner selbst

Pico läßt Gott zu Adam sprechen: „Du, durch keine Beschränkung eingeengt, sollst Dein Wesen bilden nach deinem freien Ermessen; denn in diese Hand habe ich Dich gegeben. Ich habe dich in die Mitte der Welt gestellt, damit du Ausschau hältst nach dem, was dir in der Welt besonders entspricht. Wir haben dich nicht himmlisch und nicht irdisch, nicht sterblich und nicht unsterblich gemacht, damit du dir diejenige Gestalt schaffst, die du möchtest, gewissermaßen als freier und edler Bildner und Schöpfer deiner selbst. Du wirst ins Niederste, zum Tier absinken können: Du wirst ins Hohe, zum Göttlichen aufsteigen können aus der Einsicht deiner Seele. O welch höchstes Geschenk des göttlichen Vaters, welch höchstes und wunderbares Glück des Menschen! Ihm ist gegeben zu haben, was er wünscht, und zu sein was er will.“

Pico della Mirandola: Oratio de hominis dignitate (1486)

Mieterschutz und Wahlfreiheit

Der Mieterschutz in Deutschland ist gut ausgebaut und für die Mieter verläßlich und berechenbar. Sie sind vor willkürlichen motivlosen Kündigungen ebenso geschützt wie vor sprunghaften Mieterhöhungen. Diese Rahmenbedingungen bestehen mit kleinen Änderungen schon seit mehr als 40 Jahren. Deshalb ist das Wohnen zur Miete mittlerweile als langfristige Alternative zum Wohnen im selbstgenutzten Wohneigentum in den Köpfen der Menschen verankert. So gesehen schafft der intensive Mieterschutz erst die Voraussetzungen für eine echte Freiheit der Wahl zwischen den Wohnformen.

The business of business is business!

Es gibt eine und nur eine soziale Verantwortung eines Unternehmens: die Ressourcen so einzusetzen und die Aktivitäten so zu setzten, daß die Gewinne gesteigert werden, solange es sich dabei nur innerhalb der Spielregeln bewegt oder, anders gesagt, solange es sich ohne Täuschung oder Betrug dem offenen und freien Wettbewerb aussetzt.

 

Mal wieder von Milton Friedman

 

 

Wer definiert die Spielregeln in wessen Interesse?

Sich innerhalb der Spielregeln zu bewegen, ist viel zu wenig. Die Gesetze müssen auch ihrem Geiste nach befolgt werden. Regulierungsarbitrage ist destabilisierend und teuer. Der Staat ist nicht dazu da, um mit der Finanzindustrie Katz und Maus zu spielen. Friedman denkt schwarz/weiß. Es gibt aber eine breite Grauzone. Näheres in den Buddenbrooks, Stichwort „Usancen“.

Die Sicherheit Israels – rational betrachtet geht sie uns nichts an?

Helmut Schmidt hat gesagt, für Israels Sicherheit mitverantwortlich zu sein, sei eine „gefühlsmäßig verständliche, aber törichte Auffassung, die sehr ernsthafte Konsequenzen haben könnte.“ Wenn es zum Krieg zwischen Israel und Iran käme, „dann hätten nach dieser Auffassung die deutschen Soldaten mitzukämpfen“. Die Israelis halten Deutschland seitdem neben den USA für das einzige Land, auf das sie sich verlassen können.

Zitiert nach: Jakob Augstein: Es mußte gesagt werden, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,826163,00.html

 

Ja, soll uns Israels Sicherheit egal sein? Die Solidarität mit Israel hat mit Gefühlen nichts zu tun. Das ist eine Frage des Anstandes. Wir können unsere Geschichte nicht einfach abschütteln. Wenn es zum Schwur kommt, müssen wir auch bereit sein, deutsches Leben für die Sicherheit Israels einzusetzen.

Nichts Neues an der Eurofront?

Wie ist die Bilanz des 14. Euro-Rettungsgipfels? Sind sie nun auf dem Grund des Schuldenproblems angekommen? Gegen mehr Haushaltsdisziplin und Überwachung kann man nicht ernsthaft etwas einwenden, nicht in einer Währungsunion. Auf dem Gebiet der Abschirmerei wurde das Schlimmste verhindert, i.e. Eurobonds und unverbindliche Aufforderungen an die EZB zu unbegrenzten Interventionen.

An die Macht der Rettungsschirme glauben die meisten Finanzmarktteilnehmer nicht mehr so recht. Insofern ist es fraglich, ob die zeitliche Überlappung der beiden Schirme etwas nützt. Wenn wir Großpleitiers retten wollen, bleibt nur die Monetisierungsoption, auch „Bazooka“ genannt. Und diese Option ist wegen der damit verbundenen Inflationsrisiken nicht verantwortbar. Aber man soll das Unglück nicht beschreien. Vielleicht eskaliert die Lage ja nicht so, daß die Schirmchen reichen.

Bleibt noch das Problem, daß das eine oder andere Peripherieland als Folge der erfolgreichen Einführung der Gemeinschaftswährung über keine wettbewerbsfähige Industrie mehr verfügt. Und daran ändern die Schuldenbremsen nichts. Es wird für Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland ein sehr steiniger Weg zu dem Ziel, innerhalb des Eurosystems ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Ach ja, die können auch zur Massenflucht antreten oder ihre Löhne senken. Oder das Zentrum schickt noch mehr Geld, welches ja bekanntlich bei den Empfängern stets so effizient wie möglich eingesetzt wird.

Es könnte sich um Fässer ohne Boden handeln. Wie viele Targetsalden will die Bundesbank noch anhäufen? Eine oder zwei Billionen Euro?

Wie sieht die Lösung aus, die den Schaden für das deutsche Volk minimiert?